Tributylzinnverbindungen wie Tributylzinnoxid (TBTO) und Tributylzinnchlorid (TBTCl) sowie Triphenylzinnchlorid (TPTCl) sind stark toxische Substanzen, die zu den Organozinnverbindungen gehören. Zahlreiche Organozinnverbindungen sind hormonell wirksam, greifen damit in das Hormonsystem ein und beeinflussen dieses durch Signale. Tributylzinn (TBT) und Triphenylzinn (TPT) wurden zwischen 1960 und 2008 als Hauptbiozid in Antifoulingbeschichtungen für Schiffe gegen den Ansatz von Organismen wie Algen, Seepocken oder Muscheln verwendet, die bei Kontakt mit dem Schiffsanstrich abgetötet werden.
Ab dem 01.01.2008 trat die Antifouling-Konvention der IMO (International Maritime Organization) in Kraft, nach der ab dem 1. Januar 2003 keine organozinnhaltigen Antifoulingsysteme mehr auf Schiffsrümpfen aufgebracht werden durften und ab dem 1. Januar 2008 keine organozinnhaltigen Antifoulingsysteme auf Schiffsrümpfen vorhanden sein durften.
Obwohl nach dem Bekanntwerden der extremen Gefährlichkeit von TBT im Jahr 1989 auf EU-Ebene ein Verbot der Verwendung von TBT-haltigen Farben für Boote unter 25 Metern eingeführt wurde, und 2002 ein Verbot des Gebrauchs von TBT-haltigen Unterwasseranstrichen für alle Schiffsgrößen ausgesprochen wurde, sanken erst einige Jahre später die Konzentrationen in den Sedimenten der von der Schifffahrt stark frequentierten Gebiete wie Häfen, Fahrrinnen und Sportboothäfen. Dieses ist darauf zurückzuführen, dass Tributylzinn zu den persistenten Schadstoffen gehört und für Jahrzehnte in den Sedimentschichten verweilt, woraus es wieder ins Wasser zurück migrieren kann. Mit der dadurch abnehmenden Konzentration im Sediment geht auch die jährliche Freisetzungsrate zurück. Dies ist aber ein sehr langwieriger Prozess. Ohne starke Sedimentumlagerungen ist die Remobilisierung von TBT aus dem Sediment nur sehr gering. Es wird von einer Halbwertszeit von TBT in Sedimenten von 70 bis 104 Jahren ausgegangen. Jede Bewegung TBT-haltiger Sedimente z.B. durch Unterhaltungsbaggerungen und Verklappung beschleunigt die Remobilisierung des Schadstoffes. Die Bodenorganismen sind danach besonders starken Belastungen ausgesetzt.
Aufgrund dieser hohen ökologischen Relevanz haben die europäischen Anrainer an der Nordsee und am Nordatlantik im Rahmen der OSPAR alle Staaten zur Durchführung eines TBT-Effektmonitorings verpflichtet (OSPAR 2000, 2007). Für Niedersachsen nimmt der NLWKN diese Pflicht wahr und untersucht seit 1994 jährlich verschiedene Standorte an der niedersächsischen Küste. Das Labor LimnoMar wurde beauftragt, Strandschnecken (Littorina littorea) dieser Standorte histologisch auf TBT-Effekte zu untersuchen und zu bewerten.
Hintergrundreferenzen
Untersuchung von Strandschnecken (Littorina littorea L.) zur Bestimmung des Intersex-Index an der niedersächsischen Küste. Auftraggeber: Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz. Gesamtkoordinator: LimnoMar. 2003 – 2019
Watermann, T., M. Herlyn & B. Daehne (2014). Langfristige Effekte von Antifouling-Bioziden in marinen Gewässern. Küstengewässer und Ästuare Band 7. 9 S.
B. Watermann, A. Thomsen, B. Schultz, D. Daehne (2017): Sedimentbelastung der Häfen an der deutschen Nord-und Ostseeküste 2009 – 2013.